Weihnachtsbaum – echt oder künstlich?

Interview mit Georg Abel, Geschäftsführer der VERBRAUCHER INITIATIVE (Bundesverband)

Georg Abel, Geschäftsführer der VERBRAUCHER INITIATIVE.
Georg Abel, Geschäftsführer der VERBRAUCHER INITIATIVE

Die Bundesregierung veröffentlichte Ende Dezember 2019 Zahlen, wonach zwölf Prozent der deutschen Haushalte sich für einen Plastikweihnachtsbaum entschieden haben. Wie beurteilen Sie dieses neuartige Kaufverhalten?
Die Nachfrage nach Plastikbäumen irritiert angesichts der weltweiten Plastikverschmutzung. Wer die negativen Folgen des Plastikkonsums kennt, muss eigentlich zum Naturbaum greifen.


Wo sehen Sie negative Auswirkungen, die mit dem Kauf einer Plastiktanne einhergehen?
Der Kauf eines Plastikweihnachtsbaums wirkt sich vor allem in drei Bereichen verheerend aus: Erstens vergrößert die Anschaffung einer Plastiktanne unser Plastikmüllproblem. Zweitens verschärfen die Herstellung, der Transport und die Verbrennung von Plastik die Klimakrise. Drittens können PVC-Bäume Chemikalien ausdünsten und damit unsere Gesundheit gefährden.


Ist es nicht klug, einen Baum mehrfach zu nutzen, statt jedes Jahr aufs Neue ein Exemplar aus der Natur zu nehmen?
Man müsste einen Plastikbaum 17 bis 20 Jahre nutzen, damit die Ökobilanz dem eines Naturbaums entspricht. Das halte ich für völlig unrealistisch. Und wie wir wissen, werden nicht einmal ein Drittel der Kunststoffabfälle in Europa recycelt.


Welches Missverständnis könnte hier bei Verbraucherinnen und Verbrauchern vorliegen?
Viele Konsumenten verzichten auf den Kauf eines natürlichen Weihnachtsbaums, weil sie sich davon erhoffen, dem durch Dürre und Stürmen geschwächten Wald zu helfen. Dabei handelt es sich entweder um Bäume, die der Förster sowieso ausdünnen muss, oder um Bäume aus Kulturen, die mit einer ungefähr ausgeglichenen CO2-Bilanz immer wieder nachgepflanzt werden. Der einer Plastiktanne beschleunigt eher den Klimawandel.


Warum schädigt ein Christbaum aus Plastik unser Klima?
Von der Herstellung über die Verarbeitung und den Transport bis hin zur Entsorgung entstehen Klimagase. Vier von fünf Plastikbäume werden CO₂-trächtig aus Fernost nach Deutschland gebracht. Welch ein Irrsinn, wo doch ein natürlicher Baum überall regional verfügbar ist.
Nach Angaben von Heinrich-Böll-Stiftung und BUND ist der CO₂-Ausstoß der weltweiten Kunststoffproduktion so groß wie der CO₂-Ausstoß von Energieversorgung und Landwirtschaft in der EU.

Infografik: Wie Plastik zur Klimakrise beiträgt.
Überall entlang des Lebenszyklus von Plastik entstehen Klimagase. Jedes Jahr werden nach Informationen des Europaparlaments durch die Herstellung und Verbrennung von Plastik weltweit rund 400 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. (Infografik: Wie Plastik zur Klimakrise beiträgt. Abbildung: PLASTIKATLAS | Appenzeller/Hecher/Sack, CC BY 4.0; Link zu Lizenz-Infos)

Kann der PVC-Baum im Wohnzimmer auch zur Gesundheitsgefahr werden?
Die Bundesregierung warnt, dass Bäume aus PVC flüchtige organische Chemikalien an die Umgebung abgeben können – und damit unserer Gesundheit schaden. Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist es jedoch kaum möglich, belastete Produkte zu erkennen. Die Hersteller der Plastikweihnachtsbäume müssen die Chemikalien nicht kennzeichnen. Das ist z. B. bei Körperpflegeprodukten anders.


Herr Abel, vielen Dank für das Gespräch.

Interessante Links:

Zur Website der VERBRAUCHER INITIATIVE

Vergleich „Plastiktanne vs. Naturbaum“ der Bundesregierung

Plastikatlas der Heinrich Böll Stiftung

Plastik und Recycling in der EU: Zahlen und Fakten